I. Prinzipien Nationalsozialistischer Propagandakunst

1. Allgemeines

  • Kunst wurde als wichtiger Träger, wichtiges Mittel der weltanschaulichen und politischen Formung des Volkes angesehen.
  • Für die Kunst bedeutete dies Verbot und Anordnung.
  • Neben der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bestimmten auch die Mittel der Überredung und des Gewährenlassens die Kulturpolitik.
  • Alle gestalterischen Medien wurden im nationalsozialistischen Sinne vereinnahmt und eingesetzt.

2. Architektur am Beispiel der Olympiaanlage in Berlin 1936

Architektur sollte als Symbol

  • das Verhalten des Benutzers festlegen = Zwang
  • die nat.soz. Weltanschauung verbildlichen = Propaganda
  • die Volksgemeinschaft unter Ausschluß alles Undeutschen repräsentieren
  • den Führer als die Verkörperung des Volkswillens ohne jeglichen Legitimationszwang darstellen
  • Gleichheit und Unterordnung visualisieren.

Symbole hierfür waren

  • Die Namensgebung architektonischer Elemente:
  • Langenmarckhalle – Kriegsschauplatz des 1. WK,

"Jugendkult"

  • Marathontor – erstmals Fackelzug
  • Zeremonien: Heldenkampf und Totenklage, Totenkult und Wehrhaftigkeit, Sak­ralität, Lichtdom
  • Aspekte des Kulthaften: Fackelschalen, ägyptische Pyramiedenschrägen ...
  • Optische Militarisierung:
  • Härte der Formgebung
  • Uniformität und Monumentalisierung
  • Konzeption für Massenveranstaltungen mit zentralen Führerkanzeln

II. Ästhetische Konzeption der Monumentalplastik

1. Idealisierung im Sinne von

  • Wehrhaft, Kampfesmutig, Entschlossen, Heldenhaft
  • Individueller Unbestimmtheit mit physiognomischen Merkmalen der Nordischen Rasse = Gleichschaltung, Uniformität
  • Symbolhaftigkeit: "Deutsche Nike", = Kampf und Krieg, Kult des Kriegstodes

2. Arno Breker

"Der Zehnkämpfer", 1937, Überlebensgröße

  • Ideal der Vollkommenheit und der athletischen Kraft
  • Ideal der Makellosigkeit und Reinrassigkeit
  • Komponente der erotischen Attraktivität
  • Vorbildlichkeit des arischen Herrenmenschen

III. Motive des Privaten

Neben der Erfassung und Gleichschaltung (Hitlerjugend bis Militär), gab es Aspekte der bewußt "staatsfreien Sphäre".

  • Anhänger des Winterhilfswerks: Gänseliesl und Hakenkreuz am Weihnachtsbaum
  • Apolitisches Rückzugsfeld
  • Unterhaltungsindustrie und Konsum, Film, Funk und Werbung
  • Kindliches Spiel statt politischer Gegenreaktion

IV. Die Kampagne "Entartete Kunst"

1. Der Begriff

1797 Schlegel: Entartung als Abweichung von der ästhetischen Norm der Klassischen Antike.

ca. 1860: Psychiatrie in Frankreich: Abweichung von der Norm psychischer Gesundheit.

1893 Max Nordau: "Entartung": Diffamierung von Kunst und Künstlern im pathologischen und antisemitischen Sinn. "Männerbund" und "Gesellschaft für ethische Kultur" soll Künstler als Geisteskranke und Gesellschaftsfeinde, Schmarotzer und Lügner entlarven.

1913 Julius Voster: Zu Fotografien der Kölner Sonderbundausstellung: "Entartung als Symptom einer krankhaften Zeit".

?1917 Schulze Naumburg: "Kampfbund für Deutsche Kultur"in München, "Kunst und Rasse": Entartung auf Staaten, Rassen und Räume bezogen. Kunstgeschichte als Krankheitsgeschichte eines Volkes, einer Staatsform (Weimarer Republik). Ästhetische, nationalistische und psychiatrische Normie­rungen vermischen sich.

1924 Hitler: "Mein Kampf": Politische, rassistische und "biologische" Dif­famie­rung vermengen sich: "Kulturbolschewismus, Jüdische Kunst und Verfallskunst".

2. Die nationalsozialistische Vorgehens- und Argumentationsweise

Seit 1927: Aufklärungskampagnen. In Anlehnung an Schulze Naumburg direkte Vergleiche von moderner Kunst mit Fotographien geistig- und körperlich be­hinderten Menschen. Die moderne Kunst soll als Verfall und Krankheit, als die "Hölle des Untermenschen" dargestellt werden. Hieraus wird die "biologische Legitima­tion zur Auslese und Ausmerze" abgeleitet.

Widersprüche der verbalen und fotografischen Argumentation:

  • Kunst habe etwas mit dem Abbild der sichtbaren Wirklichkeit zu tun.
  • Die Moderne Kunst befasse sich mit dem Abbild wirklich lebender Menschen.
  • Artgemäße Kunst solle Lebensnähe und Rasseideal beinhalten.
  • = Die Unvereinbarkeit von Realität und Idealität.

1930: "Erlaß wider die Negerkultur für das Deutsche Volkstum" in Thüringen

ab 1933: Direkter Zugriff und Eingriff: Entlassungen mißliebiger Akademieprofessoren und Museumsdirektoren

1933: Bücherverbrennung

1936: Staatlich gelenkte "Kunstberichterstattung"

ab 1936: "Wander- und Schandausstellungen"

1937: "Entartete Kunst" in München

1938: "Entartete Kunst" in Berlin

ab 1938: "Reichskristallnacht" öffentliche Verfolgung und Ermordung

3. Die 1. Große Deutsche Kunstausstellung im neuen Haus der Deutschen Kunst und die Ausstellung Entartete Kunst in den Hofgartenarkaden

  • Das Idealbild der Neuen Deutschen Kunst sollte sich durch das negativ besetzte Gegenbild der Entarteten Kunst konkretisieren.
  • Otto Ziegler: "Deutsches Volk, komm und urteile selbst!" Das Volk soll sich als Richter über die Kunst und als Teil der Volksgemeinschaft begreifen.

Otto Freundlich, "Der neue Mensch", 1912, 139 cm

Freundlich träumte von einem "neuen Menschen in einer Art kosmischen Kommunismus". Lebte seit den 20iger Jahren in Paris und arbeitete hauptsächlich abstrakt-gegenstandslos.  1943 wurde er im Konzentrationslager Lublin-Maidanek hingerichtet.

Formale und inhaltliche Merkmale

  • Expressive Abstraktion
  • Offener Werkprozeß
  • Anlehnung an afrikanische und osterinsulanische Skulptur
  • Torsohaftigkeit, Fragmenthaftigkeit
  • Utopie der Einheit von Kunst und Leben in der Suche nach der "u­nverdorbenen Ursprünglichkeit" der exotischen Kunst.

Die Ästhetik des Titelblattes der Austellungsbroschüre

  • Expressive Typografie
  • Surreale Frottage
  • Dadaistische Collage und Montage
  • Vgl. John Heartfield: "Foto als Waffe" = visuelle Hinrichtung
  • Die Darstellung der Moderne wurde mit den von ihr entwickelten Methoden der Expression, der Surrealität und der Montage angeprangert und hingerichtet.
  • Durch die nationalsozialistischen Argumentationsweise als Gleichsetzung von Kunst und abbildhafter Ähnlichkeit wird die Skulptur als Kopf des "häßlichen Juden" zum Feindbild der Bedrohung und des Zerfalls durch den "jüdischen Kulturbolschewismus".

Otto Freundlich vertrat die Idee eines humanistisch verpflichteten Kunstschaffens. Seine Kompositionen formulieren und repräsentieren das Ideal eines sozialen Gefüges, in dem das Einzelne im Dialog mit dem Ganzen steht. 1938 machte Freundlich seinen gesellschaftlich-künstlerischen Anspruch in dem Text Der bildhafte Raum deutlich: Kunst und Gesellschaft basieren auf einer gemeinsamen ethischen Grundlage. Nach Freundlich ist sie eine alle Menschen verbindende Sprache, die besonders durch Malerei, Skulptur und Architektur zum Ausdruck gebracht wird. Kunstwerke sollen daran erinnern, dass die Menschheit die Aufgabe hat, eine soziale Einheit zu werden.

Visuell greifbar wird Freundlichs Utopie in seinen Gemälden und Gouachen durch den bewusst konzipierten Zusammenklang von Form und Farbe. Im bildhauerischen Werk wird der Anspruch explizit: Der Titel seiner ersten Monumentalskulptur Ascension (1929) verweist auf den Gedanken des Aufstiegs - den potentiellen Aufstieg einer benachteiligten Klasse, den Aufschwung des Geistes und die Entfaltung des Menschen an sich. Die eigene Wahrnehmung öffnet sich für die gemeinsame Aufgabe, das Soziale neu zu denken. Otto Freundlich war damit ein herausragender Vertreter jenes Kunstverständnisses, welches in den 1960er Jahren Fluxus- und Aktionskünstler, allen voran Joseph Beuys, erweiterten.

Von Freundlich stammt die Idee einer völkerverbindenden "Straße der Skulpturen Paris-Moskau": une voie de la fraternité humaine, une voie de la solidarité humaine en souvenir de la libération - "Weg der menschlichen Brüderlichkeit, Weg der menschlichen Solidarität in Erinnerung an die Befreiung". 1971 wurde auf Initiative des Künstlers Leo Kornbrust in Erinnerung an diese Idee mit einer Straße der Skulpturen im Saarland begonnen. Eine zweite Skulpturenstraße im Saarland ("Steine an der Grenze)", die ebenfalls der Idee Freundlichs gewidmet wurde, initiierte der saarländische Bildhauer Paul Schneider im Jahr 1985. Mittlerweile umfasst diese Straße etwa 30 Skulpturen internationaler Künstler. 1999 begann der Verkehrsverein Salzgitter-Bad nach einer Anregung des Künstlers Gerd Winner mit der Realisierung eines weiteren Skulpturenweges als Hommage à Otto Freundlich 1878 - 1943, der mittlerweile (2006) sieben großformatige Stahlskulpturen renommierter internationaler Künstler zeigt.

Kornbrust griff Freundlichs Idee auf und initiierte eine "Straße des Friedens", die von der Normandie bis nach Moskau quer durch Europa führen soll.